Karolina BARTKOWIAK
Tax Consultant bei RSM Poland

Wie ein altes Sprichwort besagt, gehen „alle guten Dinge schnell vorueber”. Genauso geht auch die Urlaubszeit langsam zu Ende - was wir jeden Tag spueren, wo schließlich die Staus immer laenger werden. Außerdem erhalten wir immer mehr Korrespondenz - sowohl auf traditionellem Weg, als auch per E-Mail. Wie sich zeigt, sind aktuell nicht nur Unternehmen, sondern auch Finanz- und Steuerpruefungsbehörden verstaerkt aktiv...

In einem der Schriftstuecke des Leiters des Steuerpruefungsamtes im Zusammenhang mit einem aktuellen Pruefungsverfahren bei einem großen Unternehmen, das u.a. im Bereich Handel taetig ist, steht zu lesen, dass wenn dieses Unternehmen Waren bei einem Lieferanten kauft und anschließend an einen auslaendischen Großhaendler verkauft, ohne sie im eigenen Lager zwischenzulagern, auszupacken und persönlich die Qualitaet zu pruefen, ein wesentlicher Betrugsverdacht besteht. Demzufolge war die Behörde der Ansicht, dass dieses Unternehmen nicht zum Vorsteuerabzug bezueglich des Betrags der geschuldeten Steuer, der aus den vom Lieferanten ausgestellten Einkaufsrechnungen hervorgeht, berechtigt ist. Nach ueberzeugung der Behörde ist der Steuerpflichtige demnach verpflichtet, einen Betrag von ueber 100 000 PLN an die Staatskasse wegen angeblicher Steuerschulden inkl. Zinsen zu zahlen. Als bedeutungslos sah der Leiter des Steuerpruefungsamtes allerdings die Tatsache an, dass die Ware – nach Maßgabe der Regelungen fuer Reihengeschaefte – direkt vom Lieferanten an den Großhaendler geliefert wurde, dass alle Einkaufs- und Verkaufsrechnungen ordnungsgemaeß ausgestellt wurden und dass die daraus resultierende Umsatzsteuer ordnungsgemaeß abgerechnet und auf das Bankkonto der zustaendigen Steuerbehörden ueberwiesen wurde. Worin besteht also das Problem? Es zeigt sich, dass die Finanz- und Steuerpruefungsbehörden als Hueter des Interesses des Staates und der öffentlichen Finanzen leider völlig losgelöst von der wirtschaftlichen Realitaet des 21. Jahrhunderts funktionieren. So laesst es sich den Behörden nur schwer verstaendlich machen, dass an Verkaufstransaktionen mehr als zwei Unternehmen beteiligt sein können oder dass die Ware gelegentlich direkt vom Lieferanten zum Endkunden befördert wird. Die Einstellung der Behörden ueberrascht noch mehr, wenn man beruecksichtigt, dass im polnischen Umsatzsteuergesetz aus dem Jahre 2004 aehnliche Faelle direkt geregelt werden. Man kann sich also des Eindrucks nicht erwehren, dass ein „Reihengeschaeft“ nach Ansicht der Behörden per Definition etwas Verdaechtiges und Unklares ist. Man versucht, derartige Geschaefte als Betrug abzustempeln – aehnlich uebrigens wie im Falle von Steueroptimierungen, selbst wenn sie begruendet und völlig transparent sind.

An dieser Stelle kommen wir auf das kuerzlich umfassend kommentierte Thema Steuerkarusselle und den Kampf des Finanzministeriums gegen die Umsatzsteuererschleichung zu sprechen. Die Finanz- und Steuerpruefungsbehörden fordern, dass Steuerpflichtige ihre Vertragspartner vor und waehrend Handelsgeschaeften auf ihre Zuverlaessigkeit ueberpruefen. Fehlt eine solche ueberpruefung, so setzt sich der Steuerpflichtige dem Vorwurf der mangelnden Sorgfalt aus und schafft damit den Steuer- und Steuerpruefungsbehörden eine Grundlage dafuer, den Anspruch auf Vorsteuerabzug fuer die auf den Einkaufsrechnungen angegebene Steuerhöhe in Frage zu stellen.

Obwohl Unternehmer das oben beschriebene Risiko kennen, wird es oftmals unterschaetzt. Die meisten Unternehmer sind sich nicht bewusst, dass sie zu Opfern eines Betrugs werden können, zumal die Verantwortlichen von Faellen der Umsatzsteuererschleichung in vielen verschiedenen Branchen taetig sind und die Methoden ihrer Betruegereien staendig modifiziert werden.

Gluecklicherweise sind Unternehmer in solchen Faellen nicht völlig machtlos. Der Anspruch auf Vorsteuerabzug haengt naemlich - neben der Erfuellung der Tatbestandsvoraussetzungen, die sich direkt aus den Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes ergeben - unter anderen vom „guten Glauben“ des Steuerpflichtigen und der Beachtung der gebotenen Sorgfalt beim Abschluss der Geschaefte mit seinen Vertragspartnern ab. Der Gerichtshof der Europaeischen Union hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass ein Steuerpflichtige fuer den Fall, dass er im guten Glauben gehandelt und demzufolge die gebotene Sorgfalt (u.a. durch die Durchfuehrung angemessener ueberpruefungsverfahren) an den Tag gelegt hat, keine negativen Folgen davontraegt. Dies gilt auch dann, wenn sich der Vertragspartner des Steuerpflichtigen tatsaechlich als unlauteres Unternehmen erweist, dies dem Steuerpflichtigen aber nicht bekannt war.

Es sollte also gute Praxis jedes Unternehmers sein, effektive Anweisungen oder interne Steuerrichtlinien zu entwickeln, um zusammen mit einer entsprechenden Schulung des Personals und des Buchhaltungsteams das Risiko fuer den Abschluss von Geschaeften mit unlauteren Vertragspartnern zu minimieren. Richtlinien dieser Art stellen gleichzeitig ein praktisches Werkzeug fuer die Fuehrungskraefte im Rahmen des Risikomanagements und der Steuerplanung dar.

Vielleicht sollte also die Einfuehrung angemessener Richtlinien im eigenen Unternehmen ueberlegt werden. Die Urlaubszeit neigt sich dem Ende zu und die jaehrlichen Arbeitseffektivitaetsbilanzen ruecken schließlich immer naeher. Dieser Tipp richtet sich nicht nur an Arbeitnehmer des Privatsektors, sondern auch an Angestellte von Steuer- und Steuerpruefungsbehörden…