Am 17. März 2023 fällte das Schweizerische Bundesgericht ein Grundsatzurteil [BGE 149 II 158], dass eine langjährige Verwaltungspraxis zur Besteuerung verdeckter Kapitaleinlagen beendete. Durch die Auslegung von Artikel 20, Absatz 3 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) entschied das Gericht, dass die Rückzahlung dieser verdeckten Einlagen von der Einkommenssteuer befreit sein soll, selbst wenn sie nicht in separaten Konten ausgewiesen sind. Die Praxis zur Verrechnungssteuer bleibt jedoch unverändert.

Zur Erinnerung: Gemäss Artikel 20, Absatz 3 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) ist die Rückzahlung zusätzlicher Einlagen von Aktionären ebenso von der Einkommenssteuer befreit wie die Rückzahlung des Aktienkapitals. Historisch gesehen galt diese Steuerbefreiung jedoch nur für Einlagen, die auf einem separaten Konto verbucht wurden. Infolgedessen waren verdeckte Kapitaleinlagen nach der bisherigen Verwaltungspraxis nicht für diese Befreiung zugelassen. Diese buchhalterische Anforderung ergab sich aus dem Kreisschreiben Nr. 29c der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV).

 

Was war der Hintergrund?

Im Jahr 2003 erwarb die in der Schweiz ansässige B AG eine Hotelimmobilie im Ausland. Ein Teil des Kaufpreises umfasste ein Baurecht im Besitz des Aktionärs A sowie Erwerbskosten, die A übernommen hatte. Die B AG verbuchte die Immobilie tiefer als die Anschaffungskosten.

In den folgenden Jahren führte die B AG verschiedene Neubewertungen der Immobilie durch. Zusätzlich übernahm Aktionär A die Hypothekarschulden der Immobilie, ohne der B AG hierfür Kosten in Rechnung zu stellen. Bei der Liquidation der B AG im Jahr 2015 erzielte der Verkauf des Gebäudes einen Buchgewinn von CHF 2,2 Millionen. Die kantonalen Steuerbehörden betrachteten diesen Gewinn als Liquidationsgewinn, der für Aktionär A einkommenssteuerpflichtig sei.

 

Der Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht akzeptierte die Beschwerde des Aktionärs A und bestätigte, dass der Liquidationsgewinn aus verdeckten Kapitaleinlagen von Aktionär A stammte (getätigt zum Zeitpunkt des Kaufs der Immobilie und in den darauffolgenden Jahren). Das Bundesgericht entschied, dass verdeckte Kapitaleinlagen von der Steuerbefreiung gemäss Artikel 20 DBG profitieren, unabhängig von den buchhalterischen Anforderungen, die im Kreisschreiben 29c festgelegt sind. Somit war der Liquidationsgewinn aus den verdeckten Kapitaleinlagen nicht einkommenssteuerpflichtig.

Für die Verrechnungssteuer gilt dies jedoch nicht; hier bleibt die buchhalterische Anforderung bestehen. Die Auszahlung eines Liquidationsgewinns aus einer verdeckten Einlage unterliegt weiterhin der Verrechnungssteuer, die das Unternehmen abzuliefern hat.

 

Der Anwendungsbereich? 

Aus der Entscheidung lässt sich nicht ableiten, wie weitreichend die neue Praxis ist. Daher hat die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) den Anwendungsbereich klargestellt, indem sie die Steuerbefreiung auf die Ausschüttung verdeckter Einlagen im Falle einer Unternehmensliquidation beschränkt hat. Die Aktionäre müssen zudem einen Nachweis für solche verdeckten Einlagen erbringen.

Diese Entscheidung wirft wichtige Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf verdeckte Einlagen, die in der Vergangenheit (beispielsweise bei Umstrukturierungen) getätigt wurden, sowie die Notwendigkeit, sowohl frühere als auch künftige verdeckte Einlagen zu deklarieren. Die Steuerbefreiung wirft auch die Frage auf, wie solche Einkünfte zu deklarieren sind und wie Aktionäre die Verrechnungssteuer zurückfordern können.

 

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