In diesem Beitrag erfahren Sie:
- Wie können die Befugnisse der Finanzbehörden durch die Änderung der Abgabenordnung geändert werden?
- Warum können neue Vorschriften die Erlangung eines Steuervorbescheids erschweren?
- Was würde die Einführung einer Kaskadenhaftung für Geschäftsführer bedeuten?
Beabsichtigt die polnische Regierung, Änderungen an der Abgabenordnung vorzunehmen?
Das polnische Finanzministerium hat vor kurzem einen Vorentwurf des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes Abgabenordnung und einiger anderer Gesetze zusammen mit seiner Begründung veröffentlicht. Aufgrund der aus Sicht der Unternehmer ungünstigen Änderungen löste dieser Gesetzesentwurf von Anfang an viele Kontroversen aus. Kurz nach seiner Ankündigung versicherte der Sprecher der polnischen Regierung, Piotr Müller, auf einer Pressekonferenz, dass es keine Änderung der Abgabenordnung geben werde. Diese Zusicherungen erwiesen sich jedoch als unwahr: Die Vorkonsultationen über den Gesetzentwurf wurden in die Endphase gebracht.
Infolgedessen weiß niemand, wie es weitergeht, und die Unternehmer befürchten, dass der Entwurf nach den Wahlen im Herbst 2023 eingebracht wird. Diese Befürchtungen sind berechtigt: Die Tatsache, dass die Konsultationen nicht abgebrochen wurden, bedeutet, dass die Möglichkeit besteht, in der neuen Legislaturperiode weiter an der Änderung des Gesetzes zu arbeiten.
Steuervorbescheid – immer noch verfügbar, aber deutlich teurer und mit Gültigkeitsdatum
Die Novelle sieht viele Änderungen vor, die für die Steuerpflichtige ungünstig sind. Sorgen erregt u.a. die geplante starke Erhöhung der Gebühr für die Erteilung des Steuervorbescheids. Mit den neuen Bestimmungen der Abgabenordnung wird die Stempelgebühr dafür bei Großunternehmen bis zu siebzigmal erhöht. Der Gesetzentwurf sieht auch vor, die Gültigkeit des erteilten Steuervorbescheids auf nur 5 Jahre zu begrenzen. Den vorgeschlagenen Änderungen zufolge verlieren Steuervorbescheide, die vor dem 1. Januar 2019 erteilt wurden, ab dem 1. Januar 2024 ihre Gültigkeit. Dies impliziert eine erhebliche Verringerung der Schutzkraft des Steuervorbescheids.
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Eine Kapitalgesellschaft haftet nicht allein für ihre Steuerrückstände
Geplant ist auch die Einführung einer Kaskadenhaftung der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft, die Komplementärin einer Kommanditgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien ist, für Steuerrückstände dieser Kommanditgesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien. Eine weitere Änderung in dieser Hinsicht wäre die Verlängerung der Sperrung von Bankkonten durch die Finanzverwaltung – von derzeit 72 auf 96 Stunden.
Endlose Betriebsprüfungen und Steuerverfahren
Unter den geplanten Änderungen ist die vorgeschlagene Bestimmung am umstrittensten, wonach die Einleitung einer Zoll- und Außenprüfung die Verjährungsfrist der Steuerschuld hemmen würde. „Die Verjährungsfrist für die Steuerschuld beginnt nicht zu laufen, und die bereits laufende Verjährungsfrist wird zum Tag der Einleitung der Zoll-Außenprüfung gehemmt”, so die Vorschrift des Gesetzesentwurfs.
In der Praxis bedeutet diese Bestimmung, dass die Finanzbehörden eine Zoll- und Außenprüfung so lange durchführen können, wie sie wollen, da die Verjährung durch die Einleitung der Prüfung automatisch gehemmt wird.
Derzeit ist die Voraussetzung für die Hemmung der steuerlichen Verjährung gemäß Artikel 70 § 6 Nr. 1 der Abgabenordnung die Einleitung eines Verfahrens wegen einer Finanzstraftat oder Finanzordnungswidrigkeit, über die der Steuerpflichtige informiert wurde. Daher sind die Maßnahmen der betreffenden Finanzbehörden möglich – allerdings nur, wenn der Verdacht einer Straftat besteht oder eine Ordnungswidrigkeit im Zusammenhang mit der Nichterfüllung der Steuerschuld steht.
Infolge der geplanten Änderung genügt die bloße Einleitung einer Zoll- und Außenprüfung, um die Verjährung zu hemmen. Somit könnte die Prüfung kurz vor dem Ablauf der Verjährungsfrist eingeleitet werden, was bedeuten würde, dass die Finanzverwaltung sie nur deswegen einleiten könnte, um die Verjährung der Steuerschuld auszusetzen.
Wie wirken sich die neuen Vorschriften der Abgabenordnung auf die Geschäftstätigkeit in Polen aus?
Nach Ansicht der Vertreter des polnischen Finanzministeriums sollte die Einführung neuer Gründe für die Aussetzung der Verjährungsfrist der Steuerschuld kein Grund zur Besorgnis sein, und ehrliche Steuerpflichtige hätten nichts zu befürchten. Es ist jedoch zu betonen, dass die Änderungen aus Sicht aller Unternehmer ungünstig sind, nicht nur derjenigen, die Steuerrückstände gegenüber den Finanzbehörden haben. Die Einführung der Möglichkeit der Hemmung der Verjährung im Zusammenhang mit der Einleitung einer Zoll- und Außenprüfung durch die Neuregelung der Abgabenordnung führt dazu, dass der Steuerpflichtige nie sicher sein kann, wann die Verjährungsfrist für hypothetische Rückstände abläuft.
Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die Finanzbeamten schon vor Einleitung einer Prüfung genau wissen, wer ehrlich ist und wer nicht. Aus dieser Perspektive sind die Äußerungen der Vertreter des Finanzministeriums völlig sachfremd und geben umso mehr Anlass zur Sorge über die wahren Absichten der Regierung.
Die geplanten Änderungen zerstören praktisch das Prinzip des Vertrauens der Bürger in den Staat und geben den Behörden die Möglichkeit, die Zoll- und Außenprüfungen zu missbrauchen. Wenn die Finanzbehörden die neuen Vorschriften instrumentell anwenden (und Betriebsprüfungen und Steuerverfahren vor allem zur Hemmung der Verjährung einleiten werden), wird nicht nur die Zahl der Prüfungen steigen, sondern sie werden sich auch deutlich verlängern.
In der Praxis bedeutet dies, dass ein Steuerpflichtiger, der in Polen eine Geschäftstätigkeit ausübt, damit rechnen muss, dass die Verjährung seiner Steuerschuld jederzeit gehemmt werden kann. Die geplanten Änderungen bedeuten daher, dass das Steuergesetz das Instrument der Verjährung abschafft.
Die Pflicht zur Lösung neuer Probleme und Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Steuerpflichtigen und Finanzämtern wird den Gerichten obliegen
Glücklicherweise werden Steuerpflichtige auch bei der Einführung der geplanten Regelungen nicht vollständig des Schutzes beraubt. Im Kampf gegen Missbrauch der Befugnisse durch Finanzverwaltung können sie durch einen erfahrenen Steuerberater und solche Instrumente wie Beschwerde wegen übermäßiger Dauer des Verfahrens, Beschwerde wegen Untätigkeit der Behörde oder Beschwerde wegen instrumenteller Verfahrenseinleitung unterstützt werden.
Wichtig ist, dass die Gerichte bisher einen für die Steuerpflichtigen günstigen Standpunkt vertreten haben und behaupteten, dass die Verjährung nicht gehemmt werden könne, wenn die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens instrumentell gewesen sei. Gleichzeitig gaben die Gerichte zu, dass es Sache der Finanzbehörde ist, nachzuweisen, dass die Hemmung der Verjährungsfrist nicht künstlich war und dass das Motiv für das eingeleitete Steuerstrafverfahren nicht nur der Wunsch war, die Frist bis zum Erlass eines Bescheids zu verlängern, der die Richtigkeit der Abrechnungen des Steuerpflichtigen in Frage stellt. Zu diesem Schluss kam das Oberste Verwaltungsgericht in der Besetzung von sieben Richtern in seinem Beschluss vom 24. Mai 2021, Az. I FPS 1/21.
Daher können die Steuerpflichtigen hoffen, dass in einer Situation, in der zusätzliche Voraussetzungen für die Hemmung der steuerlichen Verjährung eingeführt werden, die Verwaltungsgerichte für die Unternehmer günstige Urteile erlassen und das Instrument der Verjährung nicht vollständig abgeschafft wird.
Es hängt jedoch alles davon ab, wie sich die Veränderungen in der Funktionsweise der Justiz entwickeln werden, und insbesondere davon, ob Verwaltungsgerichte völlig unabhängig von staatlichen Verwaltungsorganen bleiben.