Adam KOŁODZIEJCZYK
Steuerberater, Junior Tax Manager bei RSM Poland

Diesmal möchte ich Einiges ueber Gebuehren schreiben, die ziemlich oft in der Hotelbranche vorkommen. Es geht mir um die Gebuehren fuer Stornierung oder Nichtinanspruchnahme der Reservierung und ihre Abrechnung in Bezug auf die Umsatzsteuer (USt). Ich möchte mich insbesondere auf die sog. attrition fee, d.h. die Gebuehr fuer gebuchte und nicht in Anspruch genommene Hotelzimmer konzentrieren. Das Umsatzschema ist hier in der Regel folgend:

  • Gesellschaft A veranstaltet eine Konferenz und aus diesem Grund reserviert sie eine bestimmte Anzahl der Hotelzimmer fuer ihre Teilnehmer (z.B. fuer 100 Personen);
  • Alle Interessierten melden sich zur Konferenz an und bezahlen ihre Teilnahme (mit diesem Geld zahlt man fuer die Zimmer);
  • Nimmt der Veranstalter nicht alle urspruenglich gebuchten Zimmer in Anspruch (weil sich z.B. nur 80 Personen angemeldet haben), wird er durch das Hotel mit einer Gebuehr fuer sonstige 20 nicht in Anspruch genommene Zimmer belastet (d.h. es wird die sog. attrition fee berechnet).

Und jetzt erscheint die Frage, wie man eine solche Gebuehr in Bezug auf die Umsatzsteuer abrechnen soll? Ist das ein Schadensersatz, der unter Umsatzsteuer nicht faellt, eine mit 8% USt-Satz besteuerte Hotelleistung oder vielleicht eine andere sonstige Leistung (z. B. Reservierungsleistung), die mit einem Regelsteuersatz besteuert wird? Dieses Problem betrifft nicht nur die Unternehmen der Hotelbranche, sondern auch ihre Leistungsempfaenger. Doch anders wird der Schadensersatz (keine USt) und anders eine Hotelleistung (kein Recht auf Vorsteuerabzug) oder eine andere sonstige Leistung (grundsaetzlich das Recht auf Vorsteuerabzug, falls sie sich auf die Geschaeftstaetigkeit bezieht) abgerechnet.

Es scheint, die vorgenannte Gebuehr haengt mit der Erbringung keiner sonstigen Leistung zusammen, denn das Zimmer wurde letztendlich nicht vermietet. Dies laesst vermuten, es ist eher ein Schadensersatz, der umsatzsteuerlich gar nicht abzurechnen ist. Dieser Ansatz wird auch durch manche Finanzbehörden vertreten (Interpretation Nr. IPPP2/443-993/12-2/KG des Leiters der Oberfinanzdirektion Warszawa vom 06.11.2012 und Nr. BPP2/443-1076/13/IK des Leiters der Oberfinanzdirektion Katowice vom 20.02.2014).

Angesichts des Wortlauts der Rechtsvorschriften und der Rechtsprechung ist aber dieses Problem nicht mehr so offensichtlich. In diesem konkreten Fall haben wir naemlich mit einer Zahlung zu tun, die mit der Reservierung eines Zimmers fuer eine bestimmte Zeit durch das Hotel zusammenhaengt. Mit anderen Worten: das Hotel verpflichtete sich, bestimmte Zimmer (bzw. bestimmte Anzahl der Zimmer) nicht zu vermieten und dafuer verlangt er von dem Kunden eine Entschaedigung (fuer entgangene Gewinne). Dieses Verhalten entspricht der Definition der Erbringung sonstiger Leistung nach Art. 8 Abs. 1 UStG-PL, nach welcher als Erbringung sonstiger Leistung jede Leistung zugunsten einer natuerlichen Person, einer juristischen Person oder einer Organisationseinheit ohne Rechtspersönlichkeit gilt (...), darunter auch die Verpflichtung zum Unterlassen einer Handlung oder zum Dulden einer Handlung bzw. eines Zustands.

Unterlaesst das Hotel die Vermietung der bestimmten Zimmer (bzw. bestimmten Anzahl der Zimmer), ist es dann eine sonstige Leistung oder nicht? Meiner Meinung nach schon. Und gerade fuer diese sonstige Leistung wird eine Gebuehr erhoben. Die Gebuehr wird berechnet nicht deswegen, dass jemand auf die sonstige Leistung verzichtete, sondern gerade dafuer, dass in der durch die Parteien vereinbarten Zeit das Zimmer reserviert war (d.h. zur Verfuegung stand) und das Hotel verpflichtete sich, es an keine Dritte zu vermieten. Warum soll also das Hotel keine Zuwendung erhalten, wenn der Kunde plötzlich die ihm zustehende Berechtigung nicht in Anspruch nimmt? In der vorgenannten Situation wird die Gebuehr durch das Hotel nach folgendem Grundsatz erhoben: „Nichtinanspruchnahme ist zwar Deine Sache, aber ich stellte Dir zur Verfuegung alles, was Du wolltest, also jetzt musst Du mir dafuer zahlen.”

Und gemaeß der Rechtsprechung des Europaeischen Gerichtshofes (EuGH) kann eine Dienstleistung als gegen Entgelt ausgefuehrt angesehen werden, wenn ein unmittelbarer und klar individueller Vorteil fuer den Leistenden besteht und wenn der erhaltene Entgelt in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der erbrachten Dienstleistung steht, die der Mehrwertsteuer unterliegen sollte (EuGH-Urteil vom 8. Maerz 1988 in der Rechtssache C-102/86 Apple and Pear Development Council gegen Commissioners of Customs and Excise). In dem vorgenannten Fall wurden diese Voraussetzungen bestimmt erfuellt, deswegen soll attrition fee unter den Begriff der Erbringung einer sonstigen Leistung fallen.

Fuer Behandlung von attrition fee als Gebuehr fuer sonstige Leistung spricht zusaetzlich die Tatsache, dass hier ein Rechtsverhaeltnis zwischen dem Leistenden und Leistungsempfaenger besteht, aufgrund dessen eine Gegenleistung, d.h. die Verpflichtung zu Zimmerreservierung und Unterlassen dessen Vermietung an Dritte in der durch die Parteien vereinbarten Zeit erfolgt. Diese Leistung ist im Voraus bewertet und als Entgelt gilt hier im Grunde genommen der fuer die Reservierungsleistung uebermittelte Betrag. Auf aehnliche Voraussetzungen weist auch das EuGH in dem Urteil vom 3. Maerz 1994 in der Rechtssache C-16/93 R. J. Tolsma gegen Inspecteur der Omzetbelasting Leeuwarden an, indem es die Definition der  sonstigen Leistung analysiert.

Ich persönlich kann die Behandlung von attrition fee als Schadensersatz kaum akzeptieren, denn was soll diese Gebuehr ersetzen? Wir haben auch hier mit keiner uebernachtungsleistung zu tun, denn letztendlich wurde das Zimmer an den Kunden nicht gemietet. Meiner Meinung nach sind solche Umsaetze als Erbringung anderer sonstiger Leistungen als uebernachtungsleistungen zu betrachten. Sie können z.B. als Reservierungsleistungen fuer Unterkuenfte bezeichnet werden aber sicherlich sind das keine uebernachtungsleistungen im Sinne des Art. 88 Abs. 1 Nr. 4 UStG-PL. Dies bedeutet, bei Abrechnung von attrition fee ist das Hotel verpflichtet, die Umsatzsteuer gemaeß dem Regelsteuersatz zu berechnen, dagegen kann der Leistungsempfaenger die in der Rechnung ausgewiesene Vorsteuer abziehen, falls dieses Geschaeft mit der Durchfuehrung steuerpflichtiger Umsaetze von ihm zusammenhaengt.