In diesem Beitrag erfahren Sie:

  • Wann stellt eine in einem Mitgliedstaat vermietete Immobilie keine feste Niederlassung dar?
  • Wie wurden in Polen bisher die Streitigkeiten über feste Niederlassung bei der Vermietung von Immobilien entschieden?
  • Was sind die wichtigsten Schlussfolgerungen aus dem EuGH-Urteil?

Die Entscheidung eines ausländischen Unternehmers, eine in Polen befindliche Immobilie zu erwerben und zu nutzen, kann in einigen Fällen zur Begründung einer festen Niederlassung (FE) im Sinne von Mehrwertsteuervorschriften führen. Eine Analyse der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) führt zu dem Ergebnis, dass eine FE nicht in jedem Fall automatisch entstehen wird.

 

Am 3. Juni 2021 erließ der EuGH ein Urteil in der Rechtssache C-931/19 über das mögliche Vorliegen einer FE im Falle des Besitzes und der Vermietung von Immobilien in einem anderen Mitgliedstaat als Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen. Nach Auffassung des Gerichtshofs erfülle eine Immobilie, bei der keinerlei personelle Ausstattung vorhanden ist, die zu autonomem Handeln befähigt, offensichtlich nicht die Kriterien für die Einstufung als feste Niederlassung im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie. 

Warum ist dieses Urteil für ausländische Steuerpflichtige wichtig, die Immobilien in Polen besitzen? Das bedeutet, dass die Finanzverwaltung von einem Steuerpflichtigen nicht verlangen sollte, Umsatzsteuer in Polen zu zahlen, nur weil er eine Immobilie in Polen besitzt oder vermietet. Das gilt auch für die Fälle, wenn sich der Steuerpflichtige alle wichtigen Entscheidungen betreffend die Vermietung vorbehalten hat.

Rechtssache Titanium Ltd (C-931/19)

Sachverhalt: Warum war die Art und Weise der Ausübung der Geschäftstätigkeit in Bezug auf Umsatzsteuer umstritten?

Der Gerichtshof prüfte den Fall der Titanium Ltd von der Insel Jersey. Ihr Geschäftsgegenstand liegt im Bereich Realitätenwesen, Vermögensverwaltung sowie Wohnungs- und Siedlungswesen.

Die Vermietungsumsätze waren die einzigen Umsätze der Titanium Ltd in Österreich. Die Gesellschaft von Jersey beauftragte ein österreichisches Hausverwaltungsunternehmen, das Dienstleister und Lieferanten vermitteln, die Mieten und Betriebskosten abrechnen, die Geschäftsaufzeichnungen führen und die Umsatzsteuer-Meldedaten vorbereiten sollte. Diese Leistungen wurden von dem beauftragten Unternehmen in anderen Räumlichkeiten als denjenigen der Titanium gehörenden Immobilie erbracht.

Titanium Ltd behielt jedoch die Entscheidungsgewalt über die Begründung und Auflösung von Mietverhältnissen sowie über deren wirtschaftliche und rechtliche Konditionen, über die Durchführung von Investitionen und Reparaturmaßnahmen sowie deren Finanzierung, über die Auswahl von Dritten zur Erbringung anderer Vorleistungen und schließlich die Auswahl, Beauftragung und Überwachung der Hausverwaltung selbst.

Titanium Ltd war der Ansicht, dass sie in Österreich keine Umsatzsteuer schulde, weil sie in diesem Staat keine feste Niederlassung habe. Das österreichische Finanzamt war dagegen der Auffassung, dass eine vermietete Immobilie eine solche feste Niederlassung darstelle und setzte daher die Umsatzsteuer zu Lasten dieser Gesellschaft fest.

Die Gesellschaft legte gegen den Bescheid des Finanzamts eine Beschwerde ein und machte geltend, dass die betroffene Immobilie nicht als feste Niederlassung angesehen werden könne, weil sie ihr eigenes Personal nicht in Vermietung einbezogen habe. 

Die österreichische Finanzverwaltung beharrte jedoch auf ihrer Auslegung der Rechtsvorschriften. Sie wies darauf hin, dass falls ein Unternehmer in Österreich ein Grundstück besitze, das er umsatzsteuerpflichtig vermiete, sei er als inländischer Unternehmer zu behandeln. Somit behaupteten die Beamten, dass der Leistungsempfänger nicht die Steuer für diesen Umsatz schulde. Die Behörde kam also zu dem Schluss, dass bei der Vermietung von Immobilien immer eine feste Niederlassung vorliegen wird.

 

Beilegung des Streits – EuGH-Urteil zur Geschäftstätigkeit im Bereich der Immobilienverwaltung

Der EuGH widersprach den Finanzbehörden und entschied, dass Titanium Ltd keine feste Niederlassung (FE) in Österreich habe. 

Die diesbezüglichen Schlussfolgerungen des EuGH lauten wie folgt:

  • Eine FE verlangt einen durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal- und Sachmittel gebildeten Mindestbestand.
  • Eine FE weist eine „von der personellen und technischen Ausstattung her“ geeignete Struktur auf.
  • Der Umstand, dass Titanium Ltd das Personal einer österreichischen Gesellschaft ermächtigt hat, bestimmte Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen, wobei sie sich alle wichtigen Entscheidungen betreffend die Vermietung der Immobilie im Ansässigkeitsstaat vorbehalten hat, spricht nicht für die Begründung einer FE.
  • Eine in einem Mitgliedstaat vermietete Immobilie stellt keine feste Niederlassung dar, wenn der Eigentümer der Immobilie nicht über eigenes Personal für die Leistungsbewirkung im Zusammenhang mit der Vermietung verfügt.

 

Streitigkeiten über feste Niederlassung (FE) in Polen

An dieser Stelle ist auf das Urteil des Woiwodschaftsverwaltungsgerichts Szczecin vom 6. April 2022, Az. I SA/Sz 64/22, zu verweisen, in dem das Gericht einen Rechtsstreit zwischen einem deutschen Steuerpflichtigen und der polnischen Finanzverwaltung beilegte.

Die erstinstanzliche Behörde stellte fest, dass die deutsche Gesellschaft eine FE in Polen habe, weil sie u.a. Immobilien in Polen erworben, diese für einen Zeitraum von mehreren Jahren an eine Tochtergesellschaft vermietet und diese Gesellschaft mit Kompetenzen ausgestattet habe, die sie zur Aufsicht über diese Ausstattung berechtigt hätten. Die Aufsicht über die polnische Gesellschaft schließe aus, dass die deutsche Gesellschaft über das für die Instandhaltung und Nutzung der Immobilie erforderliche Personal für die Zwecke der Vermietung durch den deutschen Steuerpflichtigen verfüge.

Auf der Grundlage des so ermittelten Sachverhalts wies das polnische Gericht darauf hin, dass die Tatsache, Eigentümer der Immobilie zu sein, nicht beweisen könne, dass eine FE in Polen vorliege.

Ausländische Steuerpflichtige, die Immobilien in Polen besitzen, können daher leicht in Streitigkeiten über FE verwickelt werden. Daher kann das in diesem Beitrag aufgeführte EuGH-Urteil ein wichtiges Argument bei Auseinandersetzung mit Finanzverwaltung sein. 

Es ist zu beachten, dass die Verfügung über personelle Ausstattung eine der notwendigen Voraussetzungen für das Vorliegen einer FE ist. In dem Fall, in dem die personelle Ausstattung durch ein anderes Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, kann diese Voraussetzung jedoch dennoch als erfüllt angesehen werden (siehe das EuGH-Urteil in der Rechtssache C-605/12, Welmory, vom 16. Oktober 2014). Daher ist es erforderlich, die Sachlage in jedem Einzelfall zu analysieren, einschließlich des Umfangs der Tätigkeiten, zu denen ein Unternehmen in Polen von dem Steuerpflichtigen ermächtigt ist.