In diesem Beitrag erfahren Sie:
- wann gewöhnliche Formalitaeten bei Reihengeschaeften keine reinen Formalitaeten mehr sind;
- wie das Risiko vermieden werden kann, das Recht auf Vorsteuerabzug bei innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschaeften zu verlieren.
Eryk WOJTYŚ
Tax Assistant & VC Specialist bei RSM Poland
Am 8. Dezember 2022 erließ der Gerichtshof der Europaeischen Union (im Folgenden: EuGH) ein fuer Steuerpflichtige aeußerst unguenstiges Urteil (C 247/21). Der EuGH entschied eindeutig, dass der Steuerpflichtige im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschaefts den Hinweis auf „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfaengers“ auf der Rechnung angeben muss, um von dieser Sonderregelung Gebrauch machen zu können. Zudem kann dieser Fehler sogar durch die Berichtigung der Rechnung nicht korrigiert werden.
Entscheidung des Gerichtshofs der Europaeischen Union in der Rechtssache C-247/21
In der vorliegenden Rechtssache, die zu einem fuer Steuerpflichtige nachteiligen Urteil gefuehrt hat, hat der Gerichtshof einen Rechtsstreit zwischen dem österreichischen Finanzamt und der Luxury Trust Automobil GmbH, einer in Österreich eingetragenen Gesellschaft, entschieden. Die österreichische Gesellschaft kaufte Luxusautos von einem britischen Lieferanten, die sie an ein in der Tschechischen Republik eingetragenes Unternehmen weiterverkaufte (an dieser Stelle erwaehnen wir, dass als der Umsatz stattfand, war das Vereinigte Königreich noch ein EU-Mitgliedstaat).
Die Rechnungen, die das Geschaeft dokumentierten, enthielten die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern aller an dem Geschaeft beteiligten Unternehmen und den Hinweis „steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschaeft“.
Letztlich sollte es sich um ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschaeft handeln und der Schuldner der Mehrwertsteuer sollte nur der Endempfaenger sein. Ungluecklicherweise fuer den Beschwerdefuehrer wurden die materiellen Voraussetzungen, die ihn berechtigen wuerden, das Geschaeft auf diese Weise ordnungsgemaeß abzurechnen, nicht erfuellt.
Ursache des Steuerstreits mit den Finanzbehörden
Aufgrund einer bei Luxury Trust Automobil GmbH durchgefuehrten Betriebspruefung stellten die österreichischen Finanzbehörden Unregelmaeßigkeiten bei dem vorgenannten Geschaeft fest. Nach Auffassung der Behörden enthielten die Rechnungen keinen Hinweis auf den uebergang der Steuerschuld (z.B. keine relevante, wie sich spaeter herausstellte, Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfaengers“). Darueber hinaus hat der tschechische Endempfaenger keine Mehrwertsteuer aus diesem Geschaeft erklaert und abgefuehrt.
Nach Angaben der Behörden war der Endsteuerpflichtige daher nicht verpflichtet, die Bestimmungen ueber innergemeinschaftliche Dreiecksgeschaefte anzuwenden und die Mehrwertsteuer abzurechnen. Aus den streitgegenstaendlichen Rechnungen ging nicht klar hervor, dass der Endempfaenger die Steuer abzurechnen hatte.
Die Sache erschwerte auch die Tatsache, dass die tschechische Finanzverwaltung den Empfaenger als „Missing Trader” (d.h. ein Unternehmen, das die Mehrwertsteuer erschleicht) eingestuft hat, weil sie mit dem tschechischen Unternehmen Kontakt nicht aufnehmen konnte (und weil dieses Unternehmen die Mehrwertsteuer auf den streitgegenstaendlichen Umsatz nicht abgerechnet hat).
Zwischenerwerber ist Schuldner der Mehrwertsteuer
Zur Abrechnung des Geschaefts war somit der Zwischenerwerber – das österreichische Unternehmen –verpflichtet. Nach Ansicht des österreichischen Gerichts ist daher davon auszugehen, dass dieser Erwerb zumindest so lange in Österreich getaetigt wurde, bis die Luxury Trust Automobil GmbH nachweist, dass er in der Tschechischen Republik ordnungsgemaeß besteuert worden ist.
Da diese Voraussetzung nicht erfuellt wurde (das tschechische Unternehmen den Umsatz nicht abgerechnet hat), hatte die Gesellschaft nach Auffassung des vorlegenden Gerichts kein Recht auf Vorsteuerabzug aus Erwerb von Gegenstaenden.
Stellungnahme des Gerichtshofs der Europaeischen Union
Der EuGH entschied, dass die Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfaengers“ nicht im Rahmen einer Rechnungsberichtigung hinzugefuegt werden kann, falls dieser Beleg bereits in den Rechtsverkehr gebracht wurde. Das Gericht argumentierte, dass die richtige Angabe des Schuldners der Mehrwertsteuer einen materiell-rechtlichen Charakter hat und relevant fuer die Abrechnung der Steuer durch den entsprechenden Transaktionspartner im Falle der Anwendung einer Vereinfachungsregelung ist. Er betonte auch, dass – gemaeß der Bestimmung der Richtlinie – die Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfaengers“ (eng. „Reverse Charge”) obligatorisch ist und nicht durch eine andere Angabe mit aehnlichem Wortlaut ersetzt werden kann.
Was können Steuerpflichtige tun, die an Dreiecksgeschaeften beteiligt sind?
Um Streitigkeiten mit dem Finanzamt und Strafen zu vermeiden, sollten Zwischenempfaenger, die an innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschaeften beteiligt sind, zunaechst auf ihre eigene Wortbildung verzichten und auf Rechnungen ausschließlich den Hinweis „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfaengers“ (eng. „Reverse Charge”) angeben, wodurch sie das Risiko einer ungenauen Angabe des Steuerschuldners auf ein Minimum einschraenken.
Es sollte noch einmal betont werden, dass ein Steuerpflichtiger, der die Vereinfachungsregelung aufgrund der Bestimmungen ueber Dreiecksgeschaefte anwenden möchte, den richtigen Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfaengers bereits auf der urspruenglichen Rechnung angeben muss. Nach dem Urteil des EuGH ist es nicht möglich, eine Rechnung nachtraeglich zum Zwecke der Anwendung der Vereinfachungsregelung zu berichtigen – obligatorische Rechnungsangaben sind eine materielle Voraussetzung fuer das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschaefts.
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