• Was sollte ein Steuervorbescheid des Leiters der Landesfinanzauskunft enthalten?
  • Ist es möglich, die Bestimmungen zweier Gesetze auf eine einzige Einkunftsart anzuwenden?
  • Kann die Veräußerung von Aktien gleichzeitig der Erbschaft- und Schenkungsteuer und der Exit Tax unterliegen?

Davon lesen Sie in diesem Beitrag.

Bei der Erteilung eines Steuervorbescheids betrachtet der Leiter der Landesfinanzauskunft das Thema manchmal so weit, dass er sich nicht auf die Hauptsache konzentriert, sondern Fragen berücksichtigt, die mit dem Gegenstand der ursprünglich an ihn gerichteten Frage nichts zu tun haben (bzw. Fragen, die für den Fall nicht entscheidend sind). Dies hat zur Folge, dass er manchmal Zweifel an der Auslegung von Rechtsvorschriften außer Acht lässt, wodurch er eine für Steuerpflichtige ungünstige Stellungnahme abgibt. Gerade dazu kam es bei der Erteilung eines Steuervorbescheids über die sog. Wegzugssteuer – Exit Tax.

Bei der Beantwortung der Frage nach dem Verhältnis zwischen der Schenkung und der Steuer auf Einkünfte aus nicht realisierten Gewinnen – Exit Tax – befasste sich die Finanzbehörde nicht ausreichend mit dem Recht Polens, die Einkünfte aus der Veräußerung (im Rahmen einer Schenkung) von Vermögenswerten (Aktien) mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu besteuern. In seinem Urteil vom 16. Januar 2024 (Az. II FSK 506/21) stellte sich das Oberste Verwaltungsgericht (NSA) auf die Seite des Steuerpflichtigen, der von dem Inhalt des Vorbescheids überraschst war.

 

Kann die Veräußerung von Aktien gleichzeitig der Erbschaft- und Schenkungsteuer und der Exit Tax unterliegen?

Wie kam es zu dem Rechtsstreit? Ein in Polen ansässiger Steuerpflichtiger, der keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, stellte bei dem Leiter der Landesfinanzauskunft einen Antrag auf Erteilung eines Steuervorbescheids. Er überlegte, in Zukunft eine Schenkung an seinen Sohn zu machen, der nicht in Polen steuerlich ansässig ist.

Gegenstand der Schenkung sollten die von dem Steuerpflichtigen gehaltenen Aktien einer Gesellschaft mit Sitz in Polen sein. Sie stellten einen Teil von Privatvermögen des Steuerpflichtigen dar, sie waren nicht an der Börse notiert, und der Gesamtmarktwert der zu verschenkenden Aktien sollte 4.000.000,00 PLN übersteigen.

Die Schenkung sollte in Polen erfolgen, wo sich der gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers zum Zeitpunkt der Vornahme der Schenkung befinden sollte.

Der Steuerpflichtige hatte Zweifel, ob die Schenkung neben der Erbschaft- und Schenkungsteuer auch mit der Wegzugssteuer besteuert werden sollte. In seiner Begründung wies er darauf hin, dass wenn die Schenkung von Aktien an seinen Sohn den Bestimmungen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes unterliege, dann unterliege sie nicht zugleich den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes

Sachlicher Ausschluss

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht für Einkünfte, die der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegen.

Die Anwendung der Bestimmungen zweier Gesetze auf eine einzige Einkunftsart würde zu einer Doppelbesteuerung derselben Tätigkeit führen, deshalb weisen die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes eindeutig darauf hin: Was der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegt, unterliegt nicht der Einkommensteuer.

 

Nichterfüllung der Voraussetzungen für Wegzugsbesteuerung

Der Steuerpflichtige, der die Erteilung eines Steuervorbescheids beantragte, argumentierte, dass die Bestimmungen des Artikel 30dh Abs. 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes nicht anwendbar seien, weil:

  • die betreffenden Aktien nicht im Eigentum desselben Rechtsträgers bleiben,
  • sich die steuerliche Ansässigkeit nicht ändert,
  • und Polen sein Recht nicht verliert, mit dieser Steuer zu besteuern.

Der Steuerpflichtige wies also darauf hin, dass die Voraussetzungen für die Besteuerung der Schenkung von Aktien mit Exit Tax nicht erfüllt wurden.

 

Unzureichende Begründung der Finanzbehörde

Nach Ansicht des Leiters der Landesfinanzauskunft sei die Position des Steuerpflichtigen falsch. In seinem Steuervorbescheid stellte er lakonisch fest, dass der Gegenstand der Besteuerung mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht mit dem Umfang der Besteuerung mit der Steuer auf Einkünfte aus nicht realisierten Gewinnen übereinstimmt.

Und obwohl die Begründung des Steuervorbescheids nicht weniger als 9 Seiten umfasste, umfasste die Argumentation des Leiters der Landesfinanzauskunft in der Hauptsache – d. h. für die Entscheidung über die Anwendung der Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes in einer Situation, in der die Bestimmungen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes anwendbar sind – nur einen Satz. Der Leiter der Landesfinanzauskunft wies darauf hin, dass „unter Bezugnahme auf die Position des Antragstellers in Bezug auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer deutlich zu betonen ist, dass der Gegenstand der Besteuerung mit dieser Steuer nicht mit dem Umfang der Besteuerung mit der Steuer auf Einkünfte aus nicht realisierten Gewinnen übereinstimmt“.

Und gerade dieser Satz war entscheidend für die Aufhebung des Steuervorbescheids durch das Gericht erster Instanz.

Das Woiwodschaftsverwaltungsgericht hat die Sache an den Leiter der Landesfinanzauskunft zurückverwiesen und ihn dazu verpflichtet, die Position des Antragstellers in Bezug auf die Anwendung des sachlichen Ausschlusses und die von dem Steuerpflichtigen hervorgehobene Frage der „Doppelbesteuerung“ rechtlich zu beurteilen.

Der Fall landete vor dem Obersten Verwaltungsgericht (NSA).

 

NSA: Steuervorbescheide des Leiters der Landesfinanzauskunft dürfen nicht lakonisch sein

Die Pflicht zur Erteilung von Steuervorbescheiden mit hinreichend umfassender rechtlicher Begründung ergibt sich aus Art. 14c § 2 der Abgabenordnung. Dagegen hat sich der Leiter der Landesfinanzauskunft in dem betreffenden Steuervorbescheid darauf beschränkt, die im vorliegenden Fall anwendbaren Rechtsvorschriften zu zitieren, den von dem Steuerpflichtigen angegebenen Tatbestand anzuführen und die Grundsätze der Wegzugsbesteuerung zu erläutern.

Das Oberste Verwaltungsgericht wies darauf hin, dass der Steuervorbescheid keine zuverlässige und konsistente Erklärung dafür enthalte, warum die Finanzbehörde zu dem Schluss gekommen sei, dass die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes im Falle einer Schenkung von Aktien anwendbar seien, während der Steuerpflichtige umfangreiche Argumente vorbrachte, die bestätigten, dass die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes nicht anwendbar seien, wenn jeweilige Einkünfte den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes unterliegen.

Schließlich wies der Oberste Verwaltungsgerichtshof in seiner Begründung darauf hin, dass die Finanzbehörde zwar erläutert habe, „was“ sie für richtig halte, dem Steuerpflichtigen aber in keiner Weise begründet habe, „warum“ sie dies für richtig halte und welche Vorschriften ihre Entscheidung begründeten.

Finanzbehörden sind verpflichtet, rechtskonform zu handeln, und Steuerpflichtige sollten ihre Rechte geltend machen. Hätte der Steuerpflichtige den Steuervorbescheid nicht angefochten, hätte er wahrscheinlich eine hohe Steuer gezahlt. In diesem Fall verstieß der Leiter der Landesfinanzauskunft gegen das Steuerrecht, was negative Folgen für den Steuerpflichtigen hätte haben können. 

Die Tatsache, dass eine Schenkung an einen Sohn, die innerhalb von 6 Monaten gemeldet wird, von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit wird, war in diesem Fall unerheblich.