- Gilt eine freie Unterkunft im Rahmen einer Entsendung als steuerpflichtiger geldwerter Vorteil des Arbeitnehmers?
- Wie können Steuerpflichtige bei den Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung von dem Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts Gebrauch machen?
Davon lesen Sie in diesem Beitrag.
Die Besteuerung von geldwerten Vorteilen, die den Arbeitnehmern von den Arbeitgebern gewährt werden, löst seit Jahren viele Kontroversen aus. Eine der strittigen Fragen ist die Frage, ob die Bereitstellung von Unterkunft und Beförderung für einen ins Ausland entsandten Arbeitnehmer zum steuerpflichtigen geldwerten Vorteil dieses Arbeitnehmers führt. Die Arbeitgeber protestierten gegen solch eine profiskalische Vorgehensweise der Finanzbehörden, aber die Gerichte entschieden recht einheitlich zugunsten der Finanzverwaltung – zumindest bis vor kurzem. Einen anderen Standpunkt vertrat nämlich das Oberste Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 1. August 2023.
Rechtsstreit um Besteuerung der freien Unterkunft im Rahmen einer Entsendung
Das Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts, das aus Sicht der Steuerpflichtigen interessant ist, betrifft eine Gesellschaft, die u.a. Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Montage, Reparatur und Wartung aller Arten von Fertigungsstraßen anbietet. Das Unternehmen erbringt diese Dienstleistungen vor allem in den EU-Ländern, in die es seine polnischen Arbeitnehmer zu diesem Zweck – im Rahmen der Versetzung aus dienstlichen Gründen – entsendet. Nach Erhalt eines bestimmten Auftrags wählt das Unternehmen die Personen aus, die für Auftragsausführung geeignet sind, und unterzeichnet mit ihnen einen Nachtrag, nach dem der Arbeitsort vorübergehend (für mehrere Monate) gewechselt wird.
Das Unternehmen gewährt seinen Arbeitnehmern eine freie Unterkunft oder übernimmt vollständig die Kosten für ihre Unterbringung (an einem Ort und zu Bedingungen, die vom Unternehmen gewählt werden).
Die Gesellschaft stellte eine Anfrage an den Leiter der Landesfinanzauskunft, ob die Bereitstellung der freien Unterkunft an die vorübergehend entsandten Arbeitnehmer dazu führen würde, dass bei ihnen die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne von Art. 12 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Form eines geldwerten Vorteils entstehen würden – und ob die Gesellschaft folglich das Entgelt dieser Steuerpflichtigen um die Steuer auf die Bereitstellung der freien Unterkunft am Entsendungsort kürzen müsse.
Das Unternehmen vertrat die Auffassung, dass solche Leistungen keine geldwerten Vorteile der Arbeitnehmer darstellen. Der Leiter der Landesfinanzauskunft widersprach dieser Aussage, und seine Meinung wurde vom Woiwodschaftsverwaltungsgericht (WSA) Kraków unterstützt, das in seinem Urteil vom 13. August 2020 (Az. I SA/Kr 444/20) die Beschwerde des Unternehmens gegen den Steuervorbescheid zurückwies.
Nach Auffassung des Woiwodschaftsverwaltungsgerichts stellen die Aufwendungen, die dem Arbeitgeber für die Unterbringung des Arbeitnehmers am Arbeitsort entstehen, mit Ausnahme von Dienstreisen, den steuerpflichtigen geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers dar. Daher ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Einkommensteuer-Vorauszahlung darauf zu erheben. Das Gericht entschied, dass sowohl die Unterkunftskosten als auch die Beförderungskosten der Arbeitnehmer (wenn sie nicht mit dem Bus fahren) als geldwerte Vorteile dieser Arbeitnehmer gelten.
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Beförderung und Unterbringung eines Arbeitnehmers im Lichte des EU-Rechts und des Urteils des Obersten Verwaltungsgerichts
Das Oberste Verwaltungsgericht hielt in seinem Urteil vom 1. August 2023 mit dem Az. II FSK 270/21 die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts für fehlerhaft.
Nach der mündlichen Begründung des Urteils sollten nach Auffassung des Obersten Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall in Bezug auf Arbeitnehmer, die von einem polnischen Arbeitgeber für einen kurzen Zeitraum ins Ausland entsandt werden, EU-Regelungen gelten, die festlegen, wie die Leistungen an entsandte Arbeitnehmer zu besteuern sind. Nach EU-Recht dürfen die dem Arbeitgeber entstandenen Beförderungs- und Unterbringungskosten nicht in das Arbeitnehmerentgelt einbezogen werden.
Da die Bestimmungen der EU-Verordnungen Vorrang vor nationalen Regelungen haben, hat der Oberste Verwaltungsgericht entschieden, dass die Bereitstellung von Beförderung und Unterkunft keine Belastung für den Arbeitnehmer darstellen darf, d. h. sie dürfen nicht als geldwerte Vorteile des Arbeitnehmers und indirekt des Unternehmens als Zahler behandelt werden.
Wie verändert das Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts die Behandlung der von dem Arbeitgeber bereitgestellten freien Unterkunft durch entsandte Arbeitnehmer in der Praxis?
Das Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts ist ein Präzedenzfall – bisher haben die Verwaltungsgerichte die Kosten der Arbeitgeber für Unterkunft und Reisen als steuerpflichtigen geldwerten Vorteil der Arbeitnehmer behandelt.
Steuerpflichtige und Steuerberater mögen das Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts als Durchbruch betrachten, aber es lohnt sich dennoch zu bedenken, dass – nach einem alten Sprichwort – eine Schwalbe noch keinen Sommer macht und die Frage der Besteuerung von Arbeitgeberleistungen für ins Ausland entsandte Arbeitnehmer noch viele Zweifel aufwirft. Es ist nicht absehbar, ob die Auslegung der EU-Vorschriften durch das Oberste Verwaltungsgericht die Richtung der Rechtsprechung zu Leistungen für ins Ausland entsandte Arbeitnehmer ändern wird. Jeder Fall erfordert eine gründliche, individuelle Analyse, und Steuerpflichtige müssen sich den möglichen Rechtsstreiten mit dem Finanzamt bewusst sein.
Dabei kann sich das Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts zweifellos als ein wertvoller Anhaltspunkt und als ein Argument erweisen, das es wert ist, verwendet zu werden.